Bindungsstile sind auch nur ein Haufen Glaubenssätze
- Paulina
- 15. Apr. 2023
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 16. Apr. 2023
Man kann seinen Bindungsstil aktiv beeinflussen und vollständig hin zur sicheren Bindung verändern, da es sich um ein Konstrukt angehäufter Gefühls-, Glaubens- und Verhaltensmuster handelt, welche jeder Einzelne selbst beeinflussen kann.

Nach der Bindungstheorie von John Bowlby gibt es drei Haupttypen von Bindungsmustern, die sich im Laufe der Kindheit entwickeln:
Sichere Bindung: Bei Kindern mit einem sicheren Bindungsmuster führt die Verfügbarkeit und Reaktionsfähigkeit der primären Bezugspersonen (meist Mutter und Vater) zu einem Gefühl von Sicherheit und Vertrauen. Das Kind fühlt sich in der Nähe der Bezugsperson sicher und ist in der Lage, eine sichere Basis für Exploration und Neugier zu nutzen. Es entwickelt eine positive Erwartungshaltung gegenüber Beziehungen und ist in der Regel fähig, enge Beziehungen einzugehen und zu pflegen.
Unsicher-ambivalente Bindung: Kinder mit einem unsicher-ambivalenten Bindungsmuster erfahren in der Regel eine inkonsistente Verfügbarkeit und Reaktionsfähigkeit seitens der Bezugspersonen. Dies führt zu einem Gefühl von Unsicherheit in Beziehungen. Das Kind kann ängstlich und unsicher in der Nähe der Bezugsperson sein und gleichzeitig starkes Bedürfnis nach Nähe und Aufmerksamkeit zeigen. Es kann Schwierigkeiten haben, sich von der Bezugsperson zu lösen und sich zu beruhigen, auch wenn es unabhängig sein möchte.
Unsicher-vermeidende Bindung: Kinder mit einem unsicher-vermeidenden Bindungsmuster haben oft Bezugspersonen, die wenig reaktionsfähig oder zurückweisend sind. Dies führt dazu, dass das Kind gelernt hat, seine eigenen Bedürfnisse herunterzuspielen oder zu unterdrücken, um Enttäuschung zu vermeiden. Es kann Schwierigkeiten haben, Vertrauen aufzubauen und sich emotional auf andere Menschen einzulassen. Es kann auch dazu neigen, unabhängig zu sein und emotionale Nähe zu meiden.
Erfahrungen in der Kindheit und im späteren Leben können die Entwicklung von Bindungsmustern beeinflussen, und Menschen können auch in verschiedenen Beziehungen unterschiedliche Bindungsmuster aufweisen.
Vergiss nicht: Du kannst deine Glaubenssätze und Verhaltensmuster durch gezielte Arbeit ändern und auflösen, um in ein Gefühl der Sicherheit zu kommen und eine stabile Beziehung zu leben.
“Die Bindungstheorie ist auch nur ein Konzept, das eine Erklärung zum rationalen Verständnis der Gegenwart und Vergangenheit bietet. Letztlich ist es eine Kategorisierung eines Haufens von Glaubenssätzen, die sich in der Kindheit im Bezug auf Beziehungen gebildet haben - und daher aufgelöst und integriert werden können.”
Unsicher-ambivalente Bindung:
Der unsicher-ambivalente Bindungsstil entsteht durch widersprüchliche Erfahrungen in früher Kindheit, bei denen Bezugspersonen sich unklar oder gegensätzlich verhalten. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass eine Mutter ihr Kind gleichzeitig schimpft und lächelt oder ein Vater sein Kind einerseits lobt und andererseits bestraft.
Solche wiederholten widersprüchlichen Beziehungserfahrungen führen dazu, dass das Kind keine Vorhersehbarkeit und Sicherheit in den Reaktionen der Erwachsenen erlebt. Als Reaktion darauf entwickelt das Kind dysfunktionale Denkmuster, um "Sicherheit in der Unsicherheit" zu finden. Zum Beispiel könnte es den Glaubenssatz entwickeln, dass es egal ist, wie es reagiert, da es sowieso immer falsch ist.
Die traumatische Erfahrung und der tief eingeprägte Glaubenssatz führen dazu, dass sich der Mensch immer (auch unbewusst) entsprechend dem Glaubenssatz verhält und damit das Erlebnis in der Gegenwart wiederholt und den Glaubenssatz wiederum bestätigt sieht.
Der Mensch fühlt sich innerlich zerrissen und unvereinbar in seinen Gefühlen.
Dieses innere Dilemma zeigt sich nach außen durch impulsive und unruhige Reaktionen sowie falsche Interpretationen von Beziehungssituationen, bei denen das Verhalten anderer oft fälschlicherweise auf sich selbst bezogen wird. Das führt zu anhaltender Spannung und Unruhe in Beziehungen, da der Partner mit einem unsicher-ambivalenten Bindungsstil unbewusst in einem Zustand von "Mit dir geht es nicht, aber ohne dich geht es auch nicht" agiert, da er Schwierigkeiten hat, Nähe- und Distanzwünsche angemessen zu vereinen.
Menschen mit einem unsicher-ambivalenten Bindungsstil haben oft Schwierigkeiten damit, ihre Emotionen angemessen zu regulieren. Das bedeutet, dass sie oft eine starke emotionale Reaktion auf Situationen zeigen, die für andere Menschen vielleicht nicht so intensiv wären.
Sie stehen unter permanenter hoher Anspannung. Auch besteht oft Misstrauen gegenüber ihren Partnern. Sie gehen davon aus, dass ihr Partner nicht verlässlich ist, was zu einem erhöhten Bedürfnis nach Kontrolle und Absicherung führt.
Dieses Verhalten kann den Partner verwirren, irritieren oder sogar verärgern, da er sich durch die Kontrollversuche bedrängt fühlt. Dadurch entsteht Spannung in der Beziehung, die oft eskalieren kann und zu Trennungen führt. Allerdings sind Menschen mit unsicher-ambivalentem Bindungsstil oft nicht in der Lage, Beziehungen klar zu beenden. Stattdessen schwanken sie zwischen idealisierenden und abwertenden Gedanken über die vergangene Beziehung.
Weitere Merkmale dieses Bindungsstils sind:
- Verzerrung in ihrer Selbstwahrnehmung, mangelndes Identitätsgefühl
- Fehleinschätzung der eigenen Fähigkeiten
- Kommunikation laut, direkt, spontan und wenig feinfühlig
- Schwierigkeiten, Emotionen zu kontrollieren
- Selbstzweifel
- Impulsives Handeln, statt Kommunikation von Bedürfnissen, Motiven und Wünschen
- Bewusstsein über eigene Bedürfnisse fehlt
- Reflektion über die eigenen inneren Prozesse ist eingeschränkt
Unsicher-vermeidende Bindung:
Ein unsicher-vermeidender Bindungstyp hat die Erwartungshaltung, dass ihre Wünsche und Bedürfnisse letztendlich immer wieder enttäuscht werden.
Der unsicher-vermeidende Bindungstyp entwickelt sich oft aus Erfahrungen in der Kindheit mit den primären Bezugspersonen (meist Mutter und Vater), bei denen die Bedürfnisse des Kindes nach Halt, Schutz, Geborgenheit, Zuwendung und emotionaler Antwort nicht ausreichend erkannt oder befriedigt wurden. Das Kind entwickelt Anpassungsprozesse, um sich vor weiterer Enttäuschung zu schützen.
Merkmale dieses Bindungstyps:
- Vermeiden von emotionaler Nähe und Abhängigkeit von anderen Menschen
- Schwierigkeiten, Vertrauen aufzubauen und sich auf enge Beziehungen einzulassen
- Vernachlässigung eigener Bedürfnisse, um sich vor möglicher Enttäuschung zu schützen
- Distanz in Beziehungen
- Unmöglich, eine tiefe, erfüllende Bindung einzugehen
Menschen mit einem unsicher-vermeidenden Bindungsstil haben früh gelernt, sich an andere anzupassen, um mit ihnen umzugehen. Sie haben gelernt, dass es besser ist, den Bedürfnissen anderer mehr Bedeutung beizumessen als ihren eigenen. Oftmals haben sie Schwierigkeiten, ihre eigenen Gefühle, Bedürfnisse und Wünsche wahrzunehmen und sich selbst zu reflektieren. Stattdessen liegt ihr Fokus stark auf anderen Menschen, insbesondere ihren Partnern. Dadurch kann es zu einer verzerrten Wahrnehmung kommen, da andere entweder idealisiert oder abgewertet werden, ohne hinsichtlich verschiedener Verhaltensweisen zu differenzieren. Die emotionale Kommunikation ist vorsichtig und zurückhaltend und entspricht nicht dem tatsächlichen inneren Empfinden (aus Angst vor erneuter Enttäuschung/Ablehnung/Verlassenwerden).
Oftmals wird unsicher-vermeidenden Personen nachgesagt, dass sie ein gutes Einfühlungsvermögen besitzen und intuitiv wissen, was ihr Partner braucht. Allerdings wird Empathie mit Identifikation verwechselt. Der unsicher-vermeidende Bindungsstil führt häufig dazu, dass sich die betroffene Person mit ihrem Partner identifiziert, um dessen Bedürfnisse "vorauszusehen". Dieser Fokus nach Außen führt dazu, dass Menschen mit diesem Bindungsstil sich letztlich selbst vernachlässigen, weil sie nur mit der Beobachtung der Personen und ihrer Bedürfnisse im Außen beschäftigt sind. Sie glauben auch im Erwachsenenalter, dass ihre eigenen Bedürfnisse nur durch andere Menschen befriedigt werden können, da sie sie sich selbst nicht befriedigen können und von den anderen abhängig sind. Um dieses Gefühl der Abhängigkeit und Hilflosigkeit nicht spüren zu müssen, werden Beziehungen lieber ganz vermieden.
Um dem Gefühl der Leere zu entkommen, zeigen unsicher-vermeidende Personen oft ein klammerndes Verhalten in Beziehungen. Dieses Gefühl der Leere basiert oft darauf, dass sie nicht genügend positive Beziehungserfahrungen gemacht haben.
Gemischter Bindungstyp, Fazit
Es kann auch dazu kommen, dass Verhaltensmuster beider unsicherer Bindungstypen gelebt werden, da letztlich bei allen Menschen der Urwunsch nach stabiler, sicherer Bindung besteht, der in der Kindheit nicht erfüllt wurde. Es handelt sich bei den Bewältigungsstrategien, die das Kind entwickelt hat und im Erwachsenenalter fortsetzt, weil es nichts anderes gelernt hat, um Substitute, die das Fehlen der sicheren Bindung kompensieren sollen. Das heißt, als Kind wünscht man sich Sicherheit, Liebe und Geborgenheit. Da man diese nicht erhält, reagiert man aus dem Schmerz und sucht nach jeglichen Möglichkeiten, diesen Schmerz nicht zu spüren und die Beziehung zu den Bezugspersonen so schön es eben geht zu gestalten. Da nur diese eine Art der Beziehung gelernt wird, kann auch im Erwachsenenalter nur diese eine Art der Beziehung erlebt werden. Dies geschieht nur durch die Glaubenssätze, die das Kind gebildet hat und zusammen mit den schmerzhaften Gefühlen mit sich durchs Leben trägt. Solange, bis sich der Erwachsene (innerer Erwachsener/inneres Kind/innerer Elternteil) entscheidet, für sich schönere Beziehungen zu erfahren und sich an die Heilung und Auflösung der Glaubenssätze macht.